Als die „Pleite-Meldung“ der deutschen Nachrichtenagentur „dpa“ Anfang Oktober wie eine Bombe in der Agenturwelt einschlug, schwinden für viele Nachrichtenproduzenten die Hoffnung auf wirtschaftlich gute Zeiten. Um den europaweit sinkenden Zeitungsauflagen und beinharter Wettbewerb entgegen zu wirken, setzen Nachrichtenagenturen auf die Potentiale der Online-Welt. Der Journalist muss ab sofort schreiben, filmen, cutten und bloggen. Entwickelt sich hier eine neue Art der ökonomischen Ausbeutung von Journalisten oder eröffnet sich eine neue Berufswelt mit qualitätsvollem Leistungsanspruch?
Nicht nur die Griechen sind von der Wirtschaftskrise schwer gebeutelt. Neben der griechischen Nachrichtenagentur ANA, müssen auch die britische Reuters, die italienische ANSA, die spanische EFE sich mit Sparprogrammen auseinandersetzen. Die meisten Nachrichtenagenturen haben derzeit "massive Aufgaben zu lösen, um das Kerngeschäft - einen qualitativ hochwertigen Nachrichten-Basisdienst - zukunftsfit zu machen", erklärt Peter Kropsch, APA-Geschäftsführer und seit kurzem Präsident der Europäischen Nachrichtenagenturen. Die APA will bis Ende 2015 mehr als 1,5 Millionen Euro einsparen, um wieder schwarze Zahlen schreiben zu können.
Diese schwarzen Zahlen kosten 25 Mitarbeitern ihre Dienstposten. Den ökonomischen Druck bekommen besonders die Journalisten zu spüren. Nun setzen Nachrichtenagenturen auf das Potential des Niedriglohnsektors „Online-Journalismus“. Online-Redakteure sollen in trügerischer Weise den Verlusten in den Verlagen und Nachrichtenagenturen Abhilfe schaffen. Im Kerngeschäft gehe es vor allem darum, alle gängigen Nachrichtenkanäle multimedial zu bespielen, erklärt Peter Kropsch der APA.
Fakt ist, dass sich die Produktionsbedingungen für journalistische Produkte radikal verändert haben. Jeder, der über einen Internetzugang verfügt, kann heute über Social Media in Sekundenschnelle Nachrichten verbreiten und hat dabei keine Platzbeschränkung und auch keinen Redaktionsschluss. Auf diese kosteneffiziente Arbeit setzen auch die Medienproduzenten. Ab Jänner ist das traditionsreiche US-Magazin „Newsweek“ nach 80 Jahren Printgeschichte nur noch digital verfügbar. Die Redakteure vereinen damit neue multimedia-Techniken mit klassischem Journalismus, um publizistisches Gut möglichst schnell, zielgruppenorientiert, in vielfältiger Form und vor allem günstig an die Leserschaft zu bringen. Das ist die Zukunft. Der „Journalist von heute“ recherchiert nicht nur, sondern drehbucht, filmt und schneidet, gestaltet, textet, fotografiert, konzeptet, bildbearbeitet, bloggt, postet etc…. und verkauft sich dabei als billige Ressource.
Der „Journalist von heute“ entwickelt sich zu einer hochqualifizierten Informationsmaschine, die weniger kosten soll. Hierfür sollen laut Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) die Kündigung der Journalisten-Kollektivverträge vollzogen werden. Im Jahr 1999 hatte die Gewerkschaft damals einer starken Abflachung der Quinquennien für Printjournalisten (zehn Prozent mehr, alle fünf Jahre) zugestimmt, wenn im Gegenzug die Online-Mitarbeiter in den Journalisten-Kollektivvertrag aufgenommen werden. Die Verleger gliederten den Online-Bereich in eigene Gesellschaften aus, wo bis heute der – weit schlechtere – Kollektivvertrag für EDV- und IT-Services gilt. Gewerkschaftspräsident Franz C. Bauer verglich dies: „Das ist so, wie wenn du einen Büroangestellten nach Tischlerkollektivvertrag zahlst, weil er an einem Schreibtisch sitzt.“
Zwar predigen Agentur- und Verlagsleiter den Weg in die Multimedialität als Zukunft des Journalismus, jedoch wird dies auf dem Rücken der Journalisten ausgetragen. Der „Journalist von heute“ muss anspruchslos in seinen Gehaltsvorstellungen sein, aber höchste multimediale Handwerkskunst an den Tag legen. Daraus entwickelt sich ein Berufsfeld, das nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Leistungsanforderungen in Verruf gerät. Digitaljournal berichtete bereits („Social-Media-Redakteur/in gesucht am 26.10.2011) über Michael Umlandt, dessen beruflicher Karriereweg vom falschen ZDF-Twitterkanal bis zum Social Media Redakteur des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehriesen führte. Ohne Uniabschluss und fundierter journalistischer Ausbildung gelang er zu seinem Traumjob. „Das hier ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Da muss man mit dem Herzen dabei sein“, so Michael Umlandt, im Interview mit journalist.de. Herzblut statt Ausbildung – rechtfertigt dies die schlechten Arbeitsbedingungen von Journalisten? Und auch wenn die roten Zahlen aus den Finanzberichten der Medienproduzenten verschwunden sind, wird es dem Journalist der Zukunft nicht zwangsläufig besser gehen.
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